Typisch?
Jeder Autor hat wohl seine Eigenheiten, und gelobt sei das Buch, in dem der Lektor sie nicht weggebügelt hat.
Üblicherweise fallen sie gar nicht auf, weil wenn sie auffallen, sind sie vielleicht nicht mehr nur sympathische und typische Merkmale, sondern stören den Lesefluss. Mir fällt so etwas sowieso kaum auf, weil ich ein absoluter Inhalts-Leser bin und nur sehr schwer auf die Meta-Ebene umschwenke, in der ich dann Zeit- oder Perspektivenfehler bemerke oder auf Wortwiederholungen achte. Das schaffe ich nur, wenn ich muss, sprich, wenn ich mir das Buch ganz bewusst als Testleser im Lektoratsmodus zu Gemüte führe.
Das hat einen großen Nachteil, der auch ein Vorteil ist: Wenn ich als Testleser lese und mich die Story in ihren Bann zieht, fallen mir die typischen Fehler gar nicht auf. Und dann sind sie vielleicht auch gar keine Fehler mehr, sondern eben typisch für den Stil des Autors, und dann dürfen, nein, sollen sie auch bleiben!
Ein Frankreichkrimi als Beispiel:
Ich lese sehr gern die „Madame-le-Commissaire“-Bücher von Pierre Martin. Und schon im ersten Band ist mir eine irritierende Eigenart aufgefallen: Der Autor benutzt ungemein häufig die indirekte Rede.
Ich verwende die indirekte Rede nur dann, wenn jemand vom Hörensagen berichtet. Also zum Beispiel: Der Commissaire erzählte, dass der Verdächtige inzwischen in Gewahrsam sei.
Und dann auch nur kurz, vielleicht mal einen Satz oder so, mehr ist unendlich anstrengend zu lesen. Und wenn in der direkten Rede jemand die indirekte Rede benutzt, spare ich mir sogar den Konjunktiv I, weil mir der zu gespreizt erscheint – so redet doch niemand!
Nicht so Pierre Martin. Anstatt einen lebhaften Dialog zwischen der Protagonistin und ihrem Assistenten abzubilden, ergeht er sich in indirekter Rede:
Sie stieß mit Apollinaire auf ihre erneute Zusammenarbeit an. Isabelle sagte, dass sie sich auf ihn verlasse, sie brauche einen fähigen Assistenten. Auch wenn sie nicht wisse, was ihnen bevorstehe. Das Ganze sei ein Experiment mit ungewissem Ausgang. In ihrer früheren Tätigkeit sei sie es gewohnt gewesen, ganz in der Gegenwart zu leben und in die Zukunft zu blicken. Die Zeiger der Zeit stattdessen zurückzudrehen, sich in Situationen zu versetzen, die schon lange zurücklagen, diesen Umgang mit der Vergangenheit habe sie nie gelernt.
Apollinaire zitierte Albert Einstein. Der habe argumentiert, dass die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine besonders hartnäckige Illusion sei. Weil Einstein an Klugheit nicht zu übertreffen sei, habe er wohl recht. Folglich müsse sie sich keine Sorgen machen.
[aus: Pierre Martin, Madame la Commissaire und die späte Rache]
Noch ein Beispiel, fast noch abstruser.
Merkt der Autor denn nicht, wie er da jegliches Tempo aus der Handlung nimmt?
Thierry fragte Pascal nach der Marinade. Dieser wendete das Fleisch und zählte die üblichen Zutaten auf, Knoblauch, Thymian, Rosmarin, Olivenöl, Zitronensaft, Oregano, dann gab er im Flüsterton noch einige Geheimtipps preis. Auch sei es wichtig, dem marinierten Fleisch im Kühlschrank ausreichend Ruhezeit zu gönnen. Grillen bedürfe einer professionellen Vorbereitung. Jeanne sagte lachend, deshalb sei das nichts für sie, ihre Stärke sei die spontane Improvisation. Clodine machte sich darüber lustig, dass Grillen seit der Steinzeit Männersache sei, sie würden ein großes Brimborium darum machen und es genießen, als Herren des Feuers im Mittelpunkt zu stehen.
Ob das Fleisch vom Pauillac-Lamm sei, wollte Isabelle wissen.
»Mais non«, empörte sich Pascal. In der Provence gebe es hervorragende Lämmer, da brauche man keinen »Import« aus einem Gebiet im Bordeaux, das außerdem völlig überteuerte Weine wie Lafite oder Latour produziere. Er plädiere dafür, grundsätzlich nur Produkte aus der heimischen Region zu verwenden. Außerdem sei er fertig, er bitte um die Teller …
[aus: Pierre Martin, Madame la Commissaire und der verschwundene Engländer]
Und das nicht nur ein oder zwei Mal in einem Buch, nein, es kommt ständig vor. Ich mag die Bücher trotzdem und lese gerade sein letztes, aber das wirft mich jedes Mal ein bisschen aus der Geschichte.
Und jetzt?
Jetzt frage ich mich, was meine Eigenheiten sind. Ich habe ganz bestimmt welche, aber selbst erkennt man die natürlich nie. Ich kann nur hoffen, dass meine Leser sie als liebenswert ansehen und nicht als störend empfinden …
Liebe Carina,
ich finde, dass die Schreibweise gar nicht so eine große Rolle spielt. Ich finde deine Beispiele gut zu lesen. Konnte sie genießen. Aber das sind dann die Bücher, die man liest und irgendwann zu sich kommt und sich fragt, was auf den letzen 20 Seiten eigentlich passiert ist, weil es nicht so recht im Gehirn nebenbei ankommt. Aber der Lesefluss ist super und man fühlt sich gut beim Lesen. Ich habe hier ein Buch so schrecklich fand ich noch nie eins vorher. Schlimmer kann man nicht schreiben, aber die Geschichte war so spannend, dass es fast schon zu meinen Liebelingsbüchern gehört, aber es war kein Lesevergnügen. Das eine ist die eigene Note, dass andere alles immer zu analysieren, sit so ein bisschen wie DSDS. Ich glaube Leser verzeihen viel mehr, als man denkt und ja ich bin überzeugt, dass man Macken udn Marotten lieben lernen kann. Viel Erfolg weiterhin.