In den letzten Tagen habe ich am Plot zu meinem neuen Roman gearbeitet. Wie ihr vielleicht schon wisst, ist das wie immer etwas aus der »echten« Welt. In diesem Fall geht es um die frühindustrielle Baumwollspinnerei »Cromford« in Ratingen und ihren Gründer Johann Gottfried Brüggelmann. Mehr will ich an dieser Stelle noch nicht verraten.
Was ich dagegen gerne verrate, ist, wie und mit welchen Hilfsmitteln ich so eine Geschichte vorbereite.
Wer diesen Blog von Anfang an verfolgt hat, weiß bestimmt etwas mit dem Begriff »plotten« anzufangen. Für alle anderen: Das Wort »Plot« bezeichnet die Handlung, die Storyline in einem Roman (übrigens auch in einem Film). Und das neudenglische Wort »plotten« bedeutet nichts anderes als das Planen der Handlung, der Geschichte, bevor man mit dem eigentlichen Schreiben beginnt.
Wie plane ich einen Roman?
Am Anfang steht eine Idee. Das ist einfach so, und ich glaube, das ist es, was Schriftsteller von »normalen« Menschen unterscheidet. Irgendetwas wird zum Samenkorn: ein Satz in den Nachrichten, ein Wort im Radio, ein zufällig belauschtes Gespräch triggert einen Gedanken. Der spinnt sich weiter, und schon beginnt die Schreibmaschine im Kopf zu rattern. Am Ende steht dabei ein ganz loses Gerüst, vergleichbar mit den Eckpfeilern eines Hauses. Es hat noch keine Wände und kein Dach, man erkennt vielleicht den ein oder anderen Querbalken und hat eine vage Vorstellung, wie es am Ende aussehen könnte. Aber noch ist alles offen, und der Wind fegt hindurch.
Diese erste Idee bewege ich in meinem Kopf hin und her. Ich überlege, wo die Geschichte spielen könnte, wenn das nicht schon durch die Ausgangsidee klar ist. Ich baue die ersten Figuren ein, die meist in den Grundzügen ebenfalls auf Personen in meiner Umgebung beruhen, und lasse sie mit den ersten Handlungsideen interagieren.
Am Beispiel der Geschichte vom Toten Hund
Einer meiner Antagonisten braucht zum Beispiel zwingend einen Hund, damit er mit meiner Protagonistin, der Tierärztin, überhaupt ins Gespräch kommt. Wie würde so ein Hund aussehen, damit er zu dem Mann passt, der mir vorschwebt? Vielleicht ist das am Ende gar nicht sein Hund, sondern eigentlich der Hund seiner Frau, die beruflich so eingespannt hat, dass sie zu wenig Zeit für ihn hat. Deshalb geht er mit dem Tier zum Tierarzt. Das erzeugt schon ein Bild der Eheleute: sie die Karrierefrau, die nur selten zu Hause ist, und er der brave Ehemann, der sie bewundert und alles für sie tut.
Das passt auch ganz wunderbar zur Vorgeschichte, die dieser Mann mit dem Toten hat. Im Stillen beneidet er nämlich seine erfolgreiche Ehefrau und will es ihr gleich tun. Also sucht er sich Hilfe für sein Projekt bei genau dem Mann, der später zu Tode kommen soll. Ein wunderbares Motiv, aber ob es ausreicht, ihn zum Mörder zu machen? Wir werden sehen.
Genug der Theorie
Betrachten wir die Praxis. Irgendwann habe ich genügend Ideen und Personen und Szenen im Kopf hin- und hergeschoben. Nun muss ich sie aufschreiben und mir ansehen, ob sich dieses Gedankenchaos in eine logische und chronologische Reihenfolge bringen lässt. Mein bevorzugtes Programm dafür ist Scapple, ein kleines Mindmapping-Tool aus dem Hause Literature & Latte.
Das Besondere an diesem Programm, was es von allen anderen Mindmapping-Tools unterscheidet, ist die einfache Tatsache, dass es nichts kann. Es kennt keine Hierarchien und keine mehrdimensionalen Verknüpfungen. Es hat kein ausgefeiltes grafisches Interface, und es besitzt nur rudimentäre Möglichkeiten zur Formatierung. Aber genau diese Einfachkeit ist seine größte Stärke.
Ein simpler Doppelklick auf die Benutzeroberfläche erzeugt ein „Bubble“, in das man Text eingeben kann. Dieses Bubble kann man einfärben und in der Größe ändern und den Text kann man bunt oder fett formatieren. Aber das war es auch schon. Zwei Bubbels verbindet man, indem man sie übereinander zieht. Hält man dabei die ALT-Taste, entsteht ein Pfeil. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht.
Aber das ganze ist so intuitiv, als ob man mit Zettelchen auf einem Tisch arbeiten würde, mit dem Vorteil, dass sie nicht beim ersten Luftzug davonfliegen. Ich kann damit einen Zeitstrahl genauso abbilden wie mehrere Handlungsebenen, einen Familienstammbaum entwerfen oder die Abhängigkeiten einzelner Personen oder Szenen abbilden, ganz nach Belieben.
Der Familienstammbaum der Familie Arnold aus „Der Hund, der eine Grube gräbt“ sieht dann am Ende so aus:
Und der Plot zu meinem Roman Pater Noster so:
Und wie geht es jetzt ans Schreiben?
Das ist einfach. Denn wie der Zufall es will, ist das Programm „Scapple“ vom gleichen Hersteller wie mein Schreibprogramm „Scrivener„, sie arbeiten also wunderbar zusammen.
Ich öffne Scrivener, lege ein neues Projekt an. Ich öffne in Scapple die Datei mit meinen Plotschnipseln und markiere alle Bubbles, die zu meinem Plot gehören. Dann fasse ich diese Bubbles mit der Maus und ziehe sie einfach auf das offene Scrivener-Fenster. (Mit nur einem Monitor geht das am besten über die Taskleiste.) Ich lasse sie auf dem Scrivener-Fenster los, und schon habe ich jede einzelne Bubble als Szene in der Mappe von Scrivener.



Natürlich ist jetzt noch viel Feinarbeit nötig, bevor ich mit dem Schreiben beginnen kann:
Ich muss die Szenen umbennen, ich muss die Tage für meine Chronologie als Mappentrenner kennzeichnen, ich werde die Farbmarkierungen je nach handelnder Person ändern, und so weiter. Auch fehlen noch einige Zwischenszenen und Nebenhandlungen, die ich in den nächsten Tagen planen werde.
Aber ein Anfang ist gemacht.